Dieser Artikel ist Teil des Features „Was soll das? Das Kreuz auf dem Humboldt Forum

Das Kreuz mit der Kuppel

6 Min Lesezeit

PRO: Das Kreuz als Herkunftsstempel

von Alexander Kissler

Wenn Fußballtrainer besonders hoch verloren haben oder Politiker besonders schlecht gelaunt sind, kann es geschehen, dass sie den Journalisten, der sie brav befragen will, sehr rüde anherrschen: Schon die Frage sei falsch gestellt! Weder Trainer noch Politiker bin ich, meine Laune befindet sich in stabiler Seitenlage, von großen Niederlagen weiß ich nichts. Doch es lag mir auf der Zuge, die Frage nach der Angemessenheit des Kreuzes auf der Kuppel des Berliner Schlosses so zurückzugeben: Schon die Frage ist falsch gestellt! Das Kreuz gehört wieder dorthin, wo es war. Das ist nun wirklich alternativlos.

Es hat noch keinem geschadet, sich mit der Vergangenheit seiner Gegenwart zu beschäftigen.

Was nämlich wäre die Alternative, liebe Bedenkenträger und Geschichtsverbieger? Dass man das Berliner Schloss und dessen Fassade nur so von ungefähr wiedererrichtet, so in etwa rekonstruiert, es als Parodie seiner selbst den Orkus hinabfahren lässt, mit spöttischen Gelächter und im Bewusstsein des einzig richtigen Gegenwartsbewusstseins ihm hinterher winkt? Oh ja, man wird bald ein kleines Kreuz auf der Kuppel erblicken, errichtet einst von Friedrich August Stüler, und darunter befand sich einmal neben der Wohnstatt Kaiser Wilhelms II. auch eine Kapelle. Tempi passati. Heute werden Laterne und Kreuz, beide von durchaus moderner Formensprache, zartgliedrig, nicht pompös, das Humboldt Forum krönen mit seinen Sammlungen zur außereuropäischen Kunst, zur Berliner Stadtgeschichte, zur Globalkultur der Menschheit. Das Kreuz von der Rekonstruktion auszunehmen wäre, wie es Horst Bredekamp einmal formulierte, „ein politisch-religiös motivierter Akt. (…) Historische Reflexion ist doch nur dann sinnvoll, wenn man die eigenen Verhältnisse am Vergangenen misst, über die Zeichen, die die Vergangenheit hinterlässt.“

Dass das Humboldt Forum keine Kirche ist, erschließt sich jedem sofort, der das gesamte Gebäude in Augenschein nimmt. Kein Te Deum wird hier je erklingen, keine Glocken werden läuten. Wohl aber markiert das Kreuz jenen Geist, an den die protestantischen Hohenzollern eben auch anknüpfen wollten, den Geist des Christentums. Das Kreuz ist ein Herkunftsstempel. Es bezeichnet die Epoche, der das Schloss entstammt, die Tradition derer, die es errichteten. Wer diese Tradition heute teilt – es soll in Berlin Christen geben –, der freut sich. Wer sie nicht teilt, sollte sie als Gruß aus dem Einst im Jetzt willkommen heißen und sich denken: So also war das damals, hier, in der Mitte Berlins. Es hat noch keinem geschadet, sich mit der Vergangenheit seiner Gegenwart zu beschäftigen. Lernen kann man nur aus einer Geschichte, die man begreift.

CONTRA: Das falsche Zeichen

von Nikolaus Bernau

Unpolitische Schönheit gibt es nicht. Ein Paradefall dafür ist die Aufrichtung des goldglänzenden, weit über das Berliner Stadtbild erhobenen lateinischen Kreuzes über jenem Neubau, der oft kurz als „Schloss“ bezeichnet wird. Dabei wird dies Gebäude wohl nie Residenz eines Monarchen, dagegen ein modernes, dezidiert multikulturell ausgerichtetes Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Museumszentrum werden.

Weltweit ist bisher kein staatliches Museum gefunden worden, über denen ein religiöses Symbol schwebt – es sei denn, dieses Gebäude wurde aus einem religiösen Raum zu einem Museum wie die Hagia Sophia in Istanbul. Museen nämlich sind wie Bibliotheken oder Archive aller Tradition nach überreligiöse Instrumente der Aufklärung. Über ihnen ein religiöses Symbol egal welcher Art aufzurichten, verstößt also gegen den säkularen Charakter dieser Institutionen und ignoriert im speziellen Fall zudem das Zweite Gebot des Alten Testaments: Du sollt meinen Namen nicht unnütz führen, also nicht für unreligiöse Zwecke gebrauchen. Unter diesem Kreuz wird es nämlich weit und breit keine christliche Kapelle geben.

Schroffer kann christliche Machtanmaßung über nichtchristlich geprägte Kulturen kaum symbolisiert werden.

Dies Kreuz war immer ein hochpolitisches Machtsymbol. Errichtet wurde es unter Friedrich Wilhelm IV. als Triumphzeichen der Hohenzollern-Monarchie nach der Revolution von 1848/49, als Symbol der katastrophalen preußischen Allianz von Staat, Monarchie und evangelischer Kirche. Auch dass der König ausgerechnet hier über dem Westportal – wo nie eine Kapelle geplant war! – die neue Hofkapelle aufrichten ließ, dafür die alte Schlosskapelle aber zum Arbeitszimmer degradierte, war ein politisches Zeichen: Er schwärmte von einer restaurierten mittelalterlichen Welt unter Leitung von Monarchie und evangelischer Kirche. Katholiken, Juden, überhaupt alle Anders- oder Nichtgläubigen hatten sich unter dies Zeichen zu beugen.

Es wird behauptet, dies Kreuz sei ein „historisch bedingtes, architektonisches Merkmal“ (Frank Jahnke, SPD). Würde das gleiche gesagt werden, wenn es sich um ein nachzubauendes Hoheitszeichen der DDR ginge? Kuppeln seien per se christlich, also das Kreuz folgerichtig, behauptete der Architekt Franco Stella. Das ist architekturhistorischer Unsinn: Kuppeln können alle möglichen Botschaften verkünden, überwölben auch Tempel, Paläste, Bibliotheken, Museen, Gedenkstätten, Empfangsräume oder den Reichstag. Das Kreuz gehöre zum Nachbau der Schlossfassaden, wird gesagt. Doch die Ostfassade des Humboldtforums oder die Innenarchitektur sind eine Etüde in härtestem italienischem Neo-Rationalismus, der pseudo-modernistische Caféhaus-Aufbau über der Nordwestecke ruiniert die gesamte Linie der Lustgartenfassade, die Passage ist ein vollkommen neues Element, der Eosander-Hof wurde überdeckt. Auch da wurde das historische Fotobild zugunsten der heutigen Ideen zurückgedrängt. Dies Schloss ist ein Neubau, kein Nachbau.

Wären das Schloss und das Kreuz erhalten, würde keiner die Abnahme verlangen. Es ist ein Symbol seiner Zeit gewesen. Doch es wird gänzlich neu über einem Neubau aufgerichtet, über einer Ausstellungshalle mit buddhistischen (!) Wandmalereien. Schroffer kann christliche Machtanmaßung über nichtchristlich geprägte Kulturen kaum symbolisiert werden. Der Satz, das Kreuz sei ein „Symbol für die universelle Botschaft des Christentums“ (Cornelia Seibeld, CDU) stimmt durchaus. Doch unter diesem Symbol wurden Millionen Menschen in Amerika, Afrika und Asien unterdrückt, ermordet, versklavt und ausgebeutet, ihre Kulturen und ihre Glaubenssysteme angegriffen. Das Kreuz über dem Humboldtforum weist ihm den grundsätzlich falschen Weg.