Dieser Artikel ist Teil des Features „Das Berliner Schloss 2.0. Beton und Barock

Moderne Kunst hinter barocken Fassaden

7 Min Lesezeit

mit Hans-Dieter Hegner und Lars-Christian Koch
Herr Hegner, warum ist das Humboldt Forum auch ein Ort für Gegenwartskunst?

Hans-Dieter Hegner: Das Humboldt Forum wird ein modernes Kulturhaus mit Museen, Ausstellungen und Veranstaltungen werden. Wir werden hier nicht festgelegt sein auf ein bestimmtes Genre oder eine bestimmte Epoche. Und gerade weil wir auch ein internationales Haus sein wollen, werden hier auch zeitgenössische Künstler aus aller Welt zusammenkommen.

Lars-Christian Koch: Natürlich haben gerade die ethnologischen Sammlungen eine extreme historische Tiefe. Dennoch ist es unsere Aufgabe, das Humboldt Forum zu einem Gegenwartsforum zu machen. Zu dieser Gegenwart gehört ganz selbstverständlich auch internationale zeitgenössische Kunst. Das bedeutet nicht, dass die ethnologischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin komplett auf Gegenwartskunst umschwenken werden. Aber moderne Kunst wird in unseren Ausstellungen eine große Rolle spielen. Wir wollen außereuropäische Kulturen in anderen Facetten präsentieren. In den ethnologischen Sammlungen befinden sich seit langer Zeit bereits Werke der zeitgenössischen Kunst. Aber eine solche Kunst entsteht nicht dadurch, dass ich sie als Kunst deklariere. Sie entsteht durch Ausstellungen und Vermittlung.

Wir werden hier nicht festgelegt sein auf ein bestimmtes Genre oder eine bestimmte Epoche.
Neben den zeitgenössischen Werken aus den ethnologischen Sammlungen der Staatlichen Museen wird es auch mehrere Kunst-am-Bau-Projekte im Humboldt Forum zu sehen geben. Inwieweit werden diese mit den Sammlungen in Interaktion treten?

Hans-Dieter Hegner: Ich erwähnte eben ja bereits, dass wir ein modernes Kulturhaus sein wollen. Als ein solches schauen wir nicht nur auf die einzelnen Museen, die sich unter unserem Dach befinden. Uns interessiert neben der Funktion auch der Ort als solcher. Es ist zunächst so, dass dort, wo der Bund als Bauherr auftritt, bei jedem Projekt zwischen 0,5 und 1,5 Prozent der Baukosten für Kunst am Bau ausgeben werden. Das ist eine kulturelle Selbstverpflichtung des Bundes. Für diese Kunstprojekte haben wir im Haus vier Standorte ausgewählt: die beiden Treppenhäuser über den Portalen I und V, das große Treppenhaus, das kleine Foyer zu den Veranstaltungssälen und den Vorraum zur Berlin-Ausstellung und der Humboldt Forum Akademie. Unter den Siegerentwürfen für die Treppenhäuser befindet sich ein Entwurf der Künstlerinnen An Seebach und Christiane Stegat. Diese setzen sich bewusst mit den Sammlungen des Humboldt Forums auseinander: Objekte aus den Sammlungen werden grafisch aufbereitet und in einen barocken Kontext überführt. Ich halte das für einen sehr gelungenen Beitrag. Die Quelle der Berliner Sammlungen war einst die Kunstkammer des barocken Schlosses. Mit dem Humboldt Forum kehren die Sammlungen zu dieser Quelle zurück.

War die künstlerische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Hauses Voraussetzung für die Teilnahme am Wettbewerb?

Hans-Dieter Hegner: Der Wettbewerb war offen. Aber wir haben deutlich gemacht, dass wir uns Arbeiten wünschten, die sich mit der Humboldt’schen Idee, mit der Internationalität oder mit dem konkreten Ort auseinandersetzten. Im ersten Wettbewerb haben wir über zweihundert Einreichungen bekommen. Und das Teilnehmerfeld ist sehr international besetzt gewesen.

Wir werden bei uns aber in der Tat eine Arbeit von Ai Weiwei zeigen.
Aus dem zweiten Wettbewerb ging eine Siegerarbeit von Kang Sunkoo hervor, einem ehemaligen Mitarbeiter von Ai Weiwei. Wäre Ai Weiwei selbst ein Künstler, den Sie in den ethnologischen Ausstellungen präsentieren würden? Oder gehören seine Arbeiten nicht längst in die Sammlung des Hamburger Bahnhofs?

Lars-Chrisian Koch: Mit solchen Katalogisierungen müssen wir uns täglich auseinandersetzen. Wir werden bei uns aber in der Tat eine Arbeit von Ai Weiwei zeigen. Zudem haben wir einen großen Ausstellungsraum, der von einem chinesischen Künstler und Architekten gestaltet worden ist. Im Schweizersaal wiederum haben wir eine ganze Wand von Mariana Deball gestalten lassen. Und dann wird es noch ein Kunstwerk aus Kamerun zu sehen geben, das sich mit den gegenwärtigen Problemen des Landes auseinandersetzt. Wir wollen also nicht einfach nur Kunst zeigen. Wir wollen Arbeiten präsentieren, die sich mit unseren Sammlungen auseinandersetzen.

Hans-Dieter Hegner: Für dieses Ziel gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen der Bauseite und den Museen. Aktuell etwa besorgen wir ein neues japanisches Teehaus. Es hat im Museum für Asiatische Kunst in Dahlem immer ein Teehaus gegeben. Dieses aber konnten wir nicht aus dem Museum herausreißen. Also haben wir einen Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich japanische Künstler und Architekten beteiligen konnten. Den Sieger beauftragen wir gerade, ein neues Teehaus zu bauen.
Lars-Christian Koch: Das ist in der Tat ein gutes Beispiel dafür, wie zeitgenössische Kunst dabei hilft, die Kultur eines Landes besser zu verstehen.

Autor*innen
Foto von Hans-Dieter Hegner
Hans-Dieter Hegner

Hans-Dieter Hegner ist seit 2016 Vorstand für den Baubereich der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss. Der Bauingenieur war zuvor Referatsleiter im Bundesministerium.

Foto von Lars-Christian Koch
Lars-Christian Koch

Prof. Dr. Lars-Christian Koch ist seit Anfang 2018 Direktor für die Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin im Humboldt Forum. Der Musikethnologe war zuvor komissarischer Leiter des Ethnologischen Museums.