Transpositional Geologies
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kostenfrei |
ab 14 Jahre |
Englisch |
Humboldt Labor, 1. OG |
Gehört zu: Nach der Natur |
Viele mineralogische Sammlungen bestechen durch ihre Schönheit. Ob Azurit, Malachit oder Duftit – die vielfarbig schillernden, funkelnden oder bizarr geformten Sammlungsobjekte faszinieren Expert*innen wie Laien. Doch woher stammen die Minerale in den historischen Beständen naturkundlicher Sammlungen in Universitäten und Museen? Wie und unter welchen Bedingungen wurden sie vor Ort abgebaut und auf welchem Wege gelangten sie in die Sammlungen? Und was sind die Spätfolgen des extraktivistischen Raubbaus an Natur und Mensch, der oft infolge wissenschaftlicher Expeditionen stattfand?
Am Beispiel von Mineralen aus Tsumeb in Namibia – einem an Mineralen wie Bodenschätzen reichen Land – widmet sich der im Rahmen der Reihe „Objektlabor“ stattfindende Abend den in mineralogischen Sammlungen verborgenen Kolonialgeschichten. Und damit auch Fragen kolonialen Leids, teils fragwürdiger wissenschaftlicher Forschung und fortwährender Umweltzerstörung.
Der Abend anlässlich der Vorstellung von Sascha Mikloweits Buch „Transpositional Geologies—Spectres of Coloniality“ beginnt mit seiner Filmarbeit „transposition 001 (Happy Banality of Everything)“. Seit mehreren Jahren arbeitet er mit mineralogischen Sammlungsobjekten aus Tsumeb in Namibia – einem Ort und Bergbaurevier, zu dem zahlreiche Forschungsexpeditionen aufbrachen und in dem sich die Geschichte des deutschen Kolonialismus vom späten 19. und frühen 20. Jahrhundert bis heute spiegelt. Anschließend diskutieren die Wissenschaftler*innen Paul Basu (Oxford, Großbritannien) und Saima Nakuti Ndahangwapo (Bloemfontein, Südafrika) sowie Sammlungsleiter Johannes Giebel (Berlin, Deutschland) über die kolonialen Bezüge mineralogischer Sammlungen und den Umgang mit ihnen.
Im Rahmen der Gesprächsreihe „OBJEKTLABOR. Sammlungsgespräche an der Koordinierungsstelle“
Am Folgetag organisiert die Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland einen Workshop für Kurator*innen, Sammlungs- und Provenienzforscher*innen im Humboldt Labor. Bei Interesse können Sie sich hier anmelden: [email protected] (Stichwort: Workshop Mineralogische Sammlungen)
Ablauf
17:30 Uhr: Begrüßung
17:45 Uhr: Film „transposition 001 (Happy Banality of Everything)“
18:30 Uhr: Einführung von Prof. Paul Basu (Oxford)
18:45 Uhr: Paneldiskussion mit Prof. Paul Basu (Oxford), Dr. Saima Nakuti Ndahangwapo (Bloemfontein/Windhuk) und Dr. Johannes Giebel (Berlin)
20:00 Uhr: Interaktive Präsentation des Buch „Transpositional Geologies—Spectres of Coloniality“ mit dem Künstler und Herausgeber Sascha Mikloweit bei Getränken
Beteiligte
Künstler und Forscher, Berlin/Brüssel
Sascha Mikloweit ist ein in Berlin und Brüssel lebender Künstler und Forscher. Seine Arbeit untersucht geologische und kulturelle Verflechtungen durch transdisziplinäre Methoden und konzentriert sich auf die Materialität, Geschichtsschreibung und soziopolitischen Dimensionen von geowissenschaftlichen Archiven und Abbaustätten. Zwischen 2019 und 2024 war Sascha Mikloweit Research Artist-in-Residence am Mineralogischen Museum der Universität Bonn, wo er das Forschungsprojekt „Transpositional Geologies“ initiierte. Dieses Projekt untersucht das koloniale Erbe, die Geschichte des Rassismus und der Extraktion in Bezug auf die geologische Wissenschaft, mit einem besonderen Fokus auf epistemische Gewalt und Ontologie in geowissenschaftlichen Sammlungen. Von 2025 bis 2027 wird Mikloweit als Research Artist-in-Residence an der Mineralogischen Sammlung der Technischen Universität Berlin arbeiten. Mikloweit hat einen Master of Arts von Central Saint Martins, University of the Arts London und studierte an der Kunstakademie in Düsseldorf und Münster sowie Philosophie und Geschichte an der Universität Münster. Seine Forschungen hat er bei Vorträgen, Symposien und Workshops vorgestellt und von wichtigen deutschen Kultur- und Forschungsförderern unterstützt, darunter die Kunststiftung NRW, die Senatsverwaltung für Kultur und Europa Berlin und das Goethe-Institut Namibia. Seine Arbeiten wurden entwickelt und international ausgestellt, unter anderem an folgenden Orten: Copernicus Science Centre, Warschau, Polen; European Space Agency, ESOC, Darmstadt, Deutschland; Tsumeb Municipality, Namibia; Mineralogisches Museum der Universität Bonn, Deutschland; 7. Liverpool Biennale, Static Gallery, Liverpool, UK; Associação Brasileira de Empresários de Diversões, São Paulo, Brasilien; Platoon Kunsthalle, Seoul, Südkorea.
School of Anthropology and Museum Ethnography, University of Oxford, UK
Paul Basu ist Professor für Anthropologie und Kurator am Pitt Rivers Museum an der Universität von Oxford. Er ist Anthropologe und spezialisiert auf kritische Studien zu Kulturerbe, Museen und materieller Kultur in transkulturellen Kontexten. Er stützt sich auf ein breites Spektrum ethnografischer, historischer und partizipatorischer Methoden, um zu erforschen, wie die Vergangenheit in der Gegenwart auf unterschiedliche Weise materialisiert und vermittelt wird und wie sie die Zukunft gestaltet. Pauls Forschung untersucht die komplexe Art und Weise, in der sowohl das natürliche als auch das kulturelle Erbe in sich verändernde Wertesysteme und geopolitische Konfigurationen verstrickt ist. Im Rahmen seiner Arbeit hat er sich häufig mit kolonialen Archiven und Sammlungen in Bezug auf Westafrika auseinandergesetzt und deren zweideutigen Status als Stätten epistemischer Gewalt und potenzielle Ressourcen für Gemeinschaften zur Wiedererlangung kultureller Geschichten, Erinnerungen und alternativer Wege des Wissens und des Seins in der Welt untersucht.
Kurator der Mineralogischen Sammlungen, Technische Universität Berlin
Johannes Giebel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator der Mineralogischen Sammlungen an der TU Berlin. Er promovierte in Mineralogie an der Universität Tübingen (Deutschland) und der University of the Free State (Bloemfontein, Südafrika) und absolvierte einen Master in Wirtschaftsgeologie in Bloemfontein und ein Diplom in Geologie und Paläontologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Deutschland). Johannes arbeitete am Staatlichen Museum für Naturkunde in Karlsruhe, wo er für die Reorganisation und Digitalisierung der petrografischen Sammlung verantwortlich war. Seine Forschungsinteressen umfassen interdisziplinäre Bereiche der Geologie, mit langjährigen Forschungsaktivitäten im südlichen Afrika. Durch seine Arbeit mit den Mineralogischen Sammlungen, die einen bedeutenden Anteil namibischer Exemplare enthalten, beschäftigt er sich mit dem historischen Hintergrund und dem sachgerechten Umgang mit Mineralien, die unter kolonialen Bedingungen gewonnen wurden.
Postdoc in der Forschungsgruppe für internationale Studien, University of the Free State, Bloemfontein
Saima Nakuti Ndahangwapo ist Postdoctoral Fellow der International Studies Group an der University of the Free State, Südafrika, und gehört zur Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der University of Namibia. Sie unterrichtet Geschichtsmodule über die deutsche und südafrikanische Kolonialzeit und den Prozess der Dekolonisierung in Namibia. Zu ihren Forschungsinteressen gehören die Geschichte der Diplomatie, des Bergbaus und der Arbeit im südlichen Afrika. Ihre jüngsten Veröffentlichungen sind: Defending the Investment: Rössing Uranium and the Business of Decolonization in Namibia (Basler Afrika Bibliographien Basel, Schweiz, in Vorbereitung); ‚Follow the Yellowcake Road‘: Historical Geographies of Namibian Uranium from the Rössing Mine. Historische Sozialforschung 49 (1) (2024): 32-54; (Mit Christopher R. Hill). Technical and Vocational Education and the Place of Indigenous Labour in the Mining Industry of Namibia, 1970-1990, Journal of Southern African Studies, 47:1 (2021): pp.127-142.
2022
Experimentalfilm
00:46:01, 4k
Film von Sascha Mikloweit
Animation: Holger Risse
Tonspur: Irakli Kiziria
Der Film transposition 001 (Happy Banality of Everything) ist ein Ergebnis des dreijährigen Kunstprojekts „Transpositional Geologies“, das vom Museum für Mineralogie der Universität Bonn veranstaltet wird. Die Sammlung beherbergt 60.000 Mineralien, die alle akribisch benannt und nach dem Strunz’schen Klassifizierungssystem katalogisiert sind, das ihrer chemischen Zusammensetzung folgt.
Ausgangspunkt für die Produktion war das umfangreiche Archiv des Künstlers Sascha Mikloweit an „Objektbildern“, die mit einem modifizierten Flachbettscanner aus der Sammlung generiert wurden. Nach einem neunmonatigen Trialog zwischen Mikloweit, dem Animationsexperten Holger Risse und dem Komponisten Irakli Kiziria entstand der Film als poetische Überarbeitung der wissenschaftlichen Sammlung, angetrieben von dem Wunsch des Trios, die unsagbare gewalttätige Geschichte zu vermitteln, die den Mineralien eingeschrieben ist. Die Wirkung ist zugleich verführerisch und zutiefst beunruhigend.
Wer eine institutionelle mineralogische Sammlung betritt, stößt in der Regel auf Vitrinen, die nach Klassifizierungssystemen entsprechend der Materialeigenschaften geordnet sind. Jedoch birgt jedes Mineral eine Geschichte der Extraktion, der Zerstörung, des Besitzes und der Enteignung sowie deren globale Beziehungen in sich.
Der im Mai 2025 bei Kerber Press erscheinende Band Transpositional Geologies verortet solche Sammlungen als Indizes, welche uns in das Nachleben des Kolonialismus führen, und eröffnet eine sich weiterentwickelnde politische Geologie, die in ihrer Lesart Sammlungsmineralien primär als Kulturobjekte denn als Naturobjekte betrachtet. Basierend auf seiner künstlerischen und kulturellen Arbeit der letzten fünf Jahre in Namibia und Deutschland, vereint Sascha Mikloweit internationale Stimmen aus Bereichen wie Anthropologie, Kritische Theorie, Geologie, Geschichte, Museumswissenschaft, Philosophie, Poesie und öffentlicher Verwaltung mit den Perspektiven von Boltwoodit, Cerussit oder Smithsonit.
„Stein um Stein” lädt dieser außergewöhnlich gestaltete Band dazu ein, sich mit einer zunehmend nuancierten Lesart der Geschichte der Geologie zu befassen: mit ihrer epistemischen Gewalt, ihren Auslassungen und ihren rassistischen Regimen, und damit, wie die andauernden Rückstände ihres kolonialen Erbes fortlaufend unsere heutigen extraktiven Realitäten bedingen.
Herausgegeben von Sascha Mikloweit, mit Texten von:
Saima Ashipala, Paul Basu, Charmaine //Gamxamus, Johannes Giebel, Elizabeth Grosz, Maria-Oo Haihambo, Selby Hearth, Bastian Herbst, Chris Hill, Herbert Jauch, Juuso Kaluvi, Veripuami Nandee Kangumine, Malina Lauterbach, Helmut Maier, Prince Kamaazengi Marenga I, Sascha Mikloweit, Hidipo Nangolo, Paul O’Kane, Jermaine Solunga, Ellison Tjirera, Kuhepa Tjondu, Samo Tomšič, Kathryn Yusoff
Weitere Informationen:
https://www.kerberverlag.com/de/2162/transpositional-geologies