Reich bebilderte Handschriften

Lienzo Seler II / Coixtlahuaca II

Eines der markantesten Objekte des Ethnologischen Museums hat eine neue Heimstatt gefunden: In einer ausladenden Pultvitrine wird der „Lienzo Seler II / Coixtlahuaca II“ präsentiert. Das ca. 16 m2 große Baumwolltuch (383 cm x 442 cm) stammt aus dem 16. Jahrhundert. Sprecher*innen des Mixtekischen, Nahuatl und Cocho stellten den bemalten Stoff mit Schrifteinträgen im Tal von Coixtlahuaca her, im heutigen Bundesstaat Oaxaca in Mexiko. Dabei zeichneten sie gesellschaftliche Ereignisse auf, die sich über eine Zeitspanne von mehr als 500 Jahren bis in die frühe spanische Kolonialzeit nach 1521 erstrecken. Im Stil präkolumbischer Bilderhandschriften machten sie auf diese Weise ihren Herrschaftsanspruch sichtbar.

Das historische Tuch, das knapp 50 Jahre lang unberührt in einem gläsernen Schaukasten des Ethnologischen Museums in Dahlem gehangen hatte, wurde restauratorisch auf seinen Umzug in das Humboldt Forum vorbereitet. Zum Schutz des lichtempfindlichen Gewebes ist die leicht angeschrägte Pultvitrine mit einer Verblendung ausgestattet, die sich in bestimmten Zeitabständen öffnet und den Blick auf das Exponat freigibt. Das Dokument ist zum einen nach seinem Sammler Eduard Seler benannt, der es 1897 nach Berlin brachte. Der spätere Abteilungsdirektor der Amerikasammlung am damaligen Berliner Völkerkundemuseum befasste sich ausführlich mit den unbekannten Schriftzeichen. Darüber hinaus trägt der Lienzo den Namen des Hauptorts und Tals, woher er ursprünglich stammt. Mit der Kolonialisierung Mesoamerikas, dem damit einhergehenden Verbot der Hieroglyphenschrift und der Vernichtung der meisten Handschriften sowie anderer Schriftquellen ging das Wissen um die Lesung der Zeichen verloren. 2017 wurde der Lienzo erstmals in allen Details publiziert und von zehn internationalen Expert*innen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen interpretiert.

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Raum 205 – Sprache, Schrift, Kalender