Dieser Artikel ist Teil des Features „… eine Welt, in der Kolonialität nicht mehr möglich ist.

Der brandenburgische Kolonialismus in Westafrika

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Groß-Friedrichsburg wurde 1683 an der Küste des heutigen Ghanas gegründet und blieb bis 1718 unter der Kontrolle Brandenburg-Preußens. Der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm wollte in den lukrativen transatlantischen Handel mit versklavten Menschen und Gütern wie Gold und Elfenbein einsteigen und benötigte daher einen Stützpunkt an der afrikanischen Westküste. Der Kurfürst sandte den Adligen Otto Friedrich von der Gröben in diplomatischer Mission nach Westafrika, um sein Vorhaben vor Ort umzusetzen. Bereits ein Jahr zuvor hatte Friedrich Wilhelm die Gründung der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie initiiert, die die Beteiligung Brandenburgs am Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und der Karibik organisieren sollte.

Nach seiner Rückkehr veröffentlichte Gröben die „Guineische Reise-Beschreibung“ (1694), in der er von seiner Reise und der Gründung der Festung „Großfriedrichsburg“ berichtete. Das Werk widmete er seinem Auftraggeber.

Die Literaturwissenschaftlerin Gabriele Leschke hat sich intensiv mit Otto Friedrich von der Gröben und seinen Texten auseinandergesetzt, die einen direkten Einblick in die Entstehungszeit des deutschen Kolonialismus geben.

Dabei erfährt man allerdings weniger über die historischen Ereignisse oder die konkreten Bedingungen an der Westafrikanischen Küste zu Gröbens Zeit, als vielmehr über seine Perspektive als weißer, adeliger Akteur. Die Perspektiven der beteiligten Menschen in Westafrika fehlen wie so häufig in den europäischen Quellen der Zeit.

In ihrer Forschung zeigt Gabriele Leschke auf, wie Gröbens Darstellungen des Landes und der Menschen in Westafrika vor allem seiner Selbstdarstellung als Adeliger und erfolgreicher Diplomat galten. Dabei bediente er sich einer Sprache, die spätere rassistische Vorstellungen begründete und der Rechtfertigung von Kolonialismus und Versklavungshandel diente.

Die Darstellungen Gröbens wurden in den folgenden Jahrhunderten immer wieder aufgegriffen und waren äußerst wirkmächtig. Sie dienten der Legitimation von Rassismus und der kolonialistischen Bestrebungen in der deutschen Kaiserzeit.

Wenn Sie mehr erfahren wollen, finden Sie Gabriele Leschkes Dissertation „Otto Friedrich von der Gröben und der koloniale Diskurs“ von 2021 hier online.

Das von Gröben Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg gewidmete, handschriftliche Exemplar seiner „Guineische Reise-Beschreibung“ ist hier  als Digitalisat bei der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz einsehbar.

 

Autor*in
Katja Gimpel

Katja Gimpel ist Kulturwissenschaftlerin und Germanistin mit dem Schwerpunkt Kulturgeschichte. Seit 2017 ist sie Mitarbeiterin im Bereich Geschichte des Ortes der Stiftung Humboldt Forum.