Dieser Artikel ist Teil des Features „… eine Welt, in der Kolonialität nicht mehr möglich ist.

Vorwort – Instrumentalisierung von Kritik

3 Min Lesezeit

David Blankenstein, Irene Hilden, Andrea Scholz und Brenda Spiesbach

Die Veröffentlichung des Call for Contributions zum Thema „Instrumentalisierung von Kritik“ war und ist für uns als Redaktionsgruppe in mehrfacher Hinsicht ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Schon einem Redaktionsteam, das sich aus dem Humboldt Forum und seinen vier Akteuren heraus mit Kolonialität befasst, haftet etwas Problematisches an. Auch bei der Formulierung des Aufrufs haben wir um jedes Wort gerungen, im vollen Bewusstsein, dass wir uns auf dünnem Eis bewegen.

Welchen Stellenwert hat postkoloniale Kritik innerhalb des Humboldt Forums und welchen sollte sie haben?

Welche Reibungskräfte erzeugen die der Institution eingeschriebenen Widersprüche?

Wird der postkoloniale Diskurs hier im Humboldt Forum als Teil seines Kultur-Programms zu einer Ware und zum Bestandteil einer Marke?

Die Fragen, die wir uns, unseren Kolleg*innen der verschiedenen am Humboldt Forum beteiligten Institutionen und der kritischen Öffentlichkeit gestellt haben, berühren unserer Meinung nach ein nicht leicht zu fassendes und ebenso brisantes wie bedeutendes Thema. Das Sprechen über Dekolonisierung, koloniale Schuld und Restitution ist zum kulturpolitischen Mainstream geworden, etablierte Kulturinstitutionen werben um aktivistische Gruppen und überbieten sich darin, öffentlich ihre Bereitschaft zu Veränderungen zu beteuern. Doch welche tatsächlichen Transformationen werden dadurch angestoßen? Können sich die Museen und Kulturinstitutionen der (vormaligen) Metropolen zu Orten verändern, an denen koloniale und patriarchale Denkweisen und Diskriminierungen keinen Platz mehr haben? Verändern sie sich vielleicht unter unseren Augen zu Orten, aus denen selbst Impulse für Veränderungen hervorgehen?

Naheliegend sind der Zweifel und die Annahme, dass es sich bei dem allseits diskutierten Wandel lediglich um die altbekannte Strategie handelt: Kritik zu verharmlosen, indem man sie sich aneignet, sie in eine Ware verwandelt und sich in einen Wettstreit begibt, der überdies erschreckend marktförmig verläuft.

Unseren Call richteten wir an Menschen innerhalb und außerhalb des Humboldt Forums. Wir hofften auf kritische, kreative und konstruktive Beiträge, wussten jedoch nicht, ob wir damit rechnen konnten.

Unsere Hoffnung hat sich erfüllt. Wir danken an dieser Stelle allen, die sich die Zeit genommen haben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und uns Beiträge zu schicken. Wir hoffen, dass die sechs sehr unterschiedlichen und ebenso komplementären Positionen, die wir zur Veröffentlichung ausgewählt haben, Reibungskräfte erzeugen, Diskussionen anstoßen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Humboldt Forums. Wir sind Utopist*innen und glauben an Veränderung. Aber wir glauben auch daran, dass Veränderungen nicht ohne Reibung erfolgen und dass wir nicht aufhören dürfen, den Finger in die Wunde zu legen und legen zu lassen.

Call for Contributions: Instrumentalisierung von Kritik