Kunst als Beute

Gipsabgüsse der Benin-Bronzen

Der Begriff „Benin-Bronzen“ bezieht sich auf eine Gruppe von Gedenkköpfen, -skulpturen, plaketten und anderen Artefakten aus unterschiedlichem Material, hauptsächlich Messing und Bronze. Als kulturell bedeutende Objekte aus dem Königreich Benin im heutigen Nigeria wurden sie im frühen 20. Jahrhundert geformt und als Gipsabgüsse zum Kauf angeboten. Die hier gezeigten historischen Gipsabgüsse und -formen stammen aus der Sammlung der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin. Die Malmodelle dienten den Kunstschaffenden der Gipsformerei als Muster und ähneln den Originalstücken so stark wie möglich.

Etwa 5.000 aus Benin gestohlene Gegenstände lagern in 131 Institutionen rund um die Welt. Die berühmten „Benin-Bronzen“ stehen für die Ungerechtigkeit des Kolonialismus bezogen auf westliche Sammelwut. 1884 wurde auf der Berliner Konferenz der afrikanische Kontinent zwischen mehreren europäischen Ländern aufgeteilt. Benin in Nigeria wurde zu britischem Territorium. Die meisten Benin-Sammlungen in Museen weltweit gehen auf die Plünderung der Stadt Benin im Jahr 1897 zurück. Damals machten sich die britischen Besatzer im Königreich Benin des Massenmords, des Vandalismus und der Plünderung schuldig. Auch das Ethnologische Museum in Berlin profitierte von diesem berüchtigten Konflikt und schuf sich eine der weltweit größten Sammlungen der Kunst aus Benin.

Seit 2010 wird zwischen europäischen Museen und nigerianischen Vertretern über die Zukunft der „Benin-Bronzen“ debattiert. Die Benin Dialogue Group schuf die Grundlagen für bilaterale Verhandlungen über deren Restitution. 2022 übertrug das Ethnologische Museum Berlin die Eigentumsrechte an mehr als 500 Originalbronzen aus Benin an Nigeria. Eine Sonderausstellung in der zweiten Etage des Humboldt Forums berücksichtigt diese aktuellen Entwicklungen.

Mit der Rückgabe der Stücke endet auch der Verkauf von Gipsabgüssen in Berlin. Neue Fragen ergeben sich: Wer entscheidet darüber, ob die Reproduktion von Originalbronzen erlaubt ist? Sollte eine Restitution von Objekten auch die Abtretung von Vervielfältigungsrechten einschließen? Welches Potenzial bergen Nachbildungen für künftige Benin-Ausstellungen? Museumseinrichtungen und ihre Partner in Nigeria debattieren engagiert über diese Fragen.

Handel und Produktion

Mehr als 500 Jahre lang war das westlich des Niger-Deltas gelegene Königreich Benin eine bedeutende Regionalmacht in Westafrika. Was von seinem Territorium übrig blieb, liegt heute in Nigeria (nicht in dem Nachbarland Benin). Bereits im 15. Jahrhundert bestanden enge Handelsbeziehungen zwischen dem Königreich Benin und Europa. Europäische Händler brachten Rohstoffe in die Region, darunter auch Messing, das Beniner Kunstschaffende für die Herstellung der sogenannten „Benin-Bronzen“ verwendeten. Der Kontakt mit Europa wird auch in der Motivwahl der damaligen Beniner Künstler deutlich, denn eine Reihe von Kunstwerken stellt portugiesische Händler und Soldaten dar.

Historischer und künstlerischer Wert

Als die geraubten „Benin-Bronzen“ Ende des 19. Jahrhunderts Europa erreichten, war ihre Provenienz zunächst unbekannt. Afrikanische Kunst wurde zu dieser Zeit noch für primitiv gehalten, doch nachdem der deutsche Kurator Felix von Luschan (1854-1924) die Stücke als „Kunst“ bezeichnet hatte, nahm die internationale Nachfrage rapide zu. Die Käufer wurden in erster Linie von der Ästhetik und dem Kunsthandwerk der Objekte angezogen; ihre spirituelle und historische Bedeutung interessierte sie nicht. In ihrem ursprünglichen Umfeld, im Königspalast von Benin, dienten die Bronzen als bildliche Darstellungen der offiziellen Geschichte des Königreichs. Auch bei der Ahnenverehrung spielten sie eine große Rolle.

Die Rückkehr der „Benin-Bronzen“ in die Heimat

Bei ihrer Gründung 2010 unternahm die internationale Benin Dialogue Group die ersten Schritte hin zu einer Kooperation mit Vertretern Nigerias, von Anfang an mit dem Ziel die „Benin-Bronzen“ zu restituieren. Im Juli 2022 erreichten Deutschland und Nigeria eine Einigung über die Rückgabe der Objekte. Die Eigentumsrechte an den 514 Stücken aus der Sammlung des Ethnologischen Museums in Berlin wurden auf Nigeria übertragen. Davon verbleiben 168 Bronzen als Leihgaben im Berliner Museum. Im Rahmen einer Ausstellung im zweiten Stock des Humboldt Forums wird ihre Raubgeschichte bis hin zu dem Restitutionsprozess reflektiert und ihre Bedeutung als Teil des nigerianischen Kulturerbes vermittelt. Die Weiterbildung nigerianischer Kuratoren, Stärkung kultureller Infrastruktur des Landes sowie die Förderung seiner zeitgenössischen Kunstszene sind ebenfalls vorgesehen.

Repliken

Bereits kurz nach der Ankunft der „Benin-Bronzen“ in Deutschland begann die Gipsformerei – eine Berliner Einrichtung, die seit 1819 Gipsabgüsse von berühmten Kunstwerken anfertigt –, Repliken der Stücke herzustellen. Kopien zweier Königsthrone aus ihrer Sammlung waren bereits früher ein Gegenstand eines Restitutionsprozesses. Als König Akenzua II. von Benin im Jahr 1935 die Rückgabe von zwei Thronen forderte, bot ihm das Ethnologische Museum lediglich die Anfertigung von Gipsrepliken auf eigene Kosten an. Seit der Eigentumsübertragung der Originalbronzen an Nigeria 2022 werden keine neuen Kopien mehr hergestellt. Aufgrund ihrer historischen Bedeutung werden bestehende Repliken jedoch weiterhin zu Forschungszwecken verwendet.

Die Objekte in der Ausstellung

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