Temporäre Neukonzeption der Benin-Sammlung

„Benin-Bronzen“

Die herausragende Kunst aus Benin wird in zwei Räumen in all ihren Fassetten gezeigt. Gemeinsam mit nigerianischen Partnern wurde die ursprünglich geplante Präsentation komplett überarbeitet. Die Ausstellung erzählt die Geschichte des Königreichs Benin und seiner Eroberung, und zeigt neben den historischen Objekten auch Werke zeitgenössischer Künstler, etwa Filme, Textilien oder Bronzegüsse, die heute noch nach auf traditionelle Weise hergestellt werden.
Die „Benin-Bronzen“ nehmen eine besondere Stellung in der Debatte um die Dekolonisierung von Museen ein: 1897 eroberten britische Truppen das Königreich Benin, plünderten den königlichen Palast und exilierten Oba Ovonramwen, den letzten unabhängigen König, nach Calabar. Tausende Objekte wurden nach der Invasion als Kriegsbeute nach London verschifft und dort veräußert. Zahlreiche weitere geplünderte Objekte blieben zumindest noch eine Zeit lang im kolonialen Nigeria; durch lokale Netzwerke von europäischen und afrikanischen Geschäftsleuten und Händlern gelangten dann auch viele dieser Werke in europäische und nordamerikanische Museen, auch in das Berliner Museum.

Seit 2010 ist das Museum Mitglied der Benin Dialogue Group, in der Museen in Europa mit nigerianischen Partner*innen die Zukunft der Benin-Objekte in den Sammlungen der beteiligten Häuser erörtern. Durch diese Gespräche wurde die Grundlage dafür geschaffen, dass im August 2022 der Eigentumsübertrag der über 500 „Benin-Bronzen“ des Ethnologischen Museums von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz an den Staat Nigeria durchgeführt wurde. Rund ein Drittel der übereigneten Werke bleibt für zunächst zehn Jahre als Leihgabe in Berlin und wird im Humboldt Forum ausgestellt.

Die vor diesem Hintergrund kurzfristig neu konzeptionierte Benin-Ausstellung im Humboldt Forum trägt diesen aktuellen Prozessen Rechnung: Sie nimmt Bezug auf die Debatten um die Restitution der „Benin-Bronzen“ und vermittelt ihre Sammlungs- und Rezeptionsgeschichte zwischen Benin und Berlin. Die wenigen historischen Objekte, die als Leihgabe ausgestellt sind, werden in ihrem Kunstcharakter und ihrer zentralen Bedeutung für eine globale Kunstgeschichte betrachtet. Zum anderen steht ihre jeweilige Materialität als Erinnerungsträger und rituelles Inventar im Mittelpunkt. Ein dokumentarisch angelegter Teil fragt nach der Bedeutung der historischen Benin-Objekte für die moderne Kunst Nigerias und eine Ästhetik der Dekolonisation. Kunstwerke zeitgenössischer nigerianischer Künstler*innen und Designer*innen sind zu sehen, die sich Bildwelten, Techniken und Inhalte der Benin-Künste angeeignet, in neue Materialien übersetzt und umgedeutet haben. Victor Ehikhamenor bezieht sich in seinem Werk „The King, the Priest, the chosen one“ (2022) auf den König von Benin in seiner Doppelfunktion als politischen Herrscher und wichtigsten Priester. Auf einem Wandteppich mit netzartigem Spitzenstoff umrahmen orange-rote Rosenkränze aus Plastik den rotgewandeten Würdenträger, als Material dienen zudem Miniaturbronzen. Das Werk setzt sich mit den ästhetischen und inhaltlichen Prinzipien historischer Kunstwerke auseinander.

Ein großer Arbeitstisch auf der Museumsfläche bietet Platz für die Auseinandersetzung, Begegnung, das gemeinsame Forschen und Kuratieren mit Kooperationspartner*innen. Es soll die Komplexität und Vielstimmigkeit der Debatte um die Restitutionen auch jenseits der offiziellen Verhandlungen abgebildet werden. In Video-Statements erklären deutsche und
nigerianische Wissenschaftler*innen, Künstler*innen sowie Vertreter*innen von Museen und des Königshauses in Benin City multiperspektivisch die Geschichte und Bedeutung der „Benin-Bronzen“, ihre Sicht auf die aktuelle Debatte und blicken in die Zukunft.

Erweiterung 2024

In der prozessual angelegten Benin-Ausstellung werden in diesem Frühjahr zwei weitere Vitrinen eröffnet.

Nimmt der erste Teil der Ausstellung Bezug auf die Restitutionsdebatten und die Kunstgeschichte Benins, so weiten die beiden neuen Vitrinen künftig die Perspektive auf das Königreich. Sie zeigen unter anderem auf, wie (vor-)koloniale Verflechtungen – insbesondere der Handel mit versklavten Menschen – bis heute Auswirkungen auf die jüngsten Restitutionsdebatten haben.

 

Hier finde ich dieses Must See!

Raum 209, 210 – Das Königreich Benin, Benin-Bronzen in Berlin

 

Führungen