Digitale Öffnung
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Eintritt frei |
ca. 60 Min |
Deutsch, Deutsche Gebärdensprache, Englisch |
Online-Veranstaltung |
Der Bau ist fertig. Erste Ausstellungen und Programmangebote sind bereits am Start. Und wir geben einzigartige Einblicke in das Humboldt Forum – vorerst nur digital, live gestreamt und online geführt.
Erleben Sie als erste, wie sich das analoge Forum durch eine Vielfalt an Stimmen und Beiträgen in den digitalen Raum erweitert. Wir laden Sie herzlich ein, gemeinsam mit den Communities aus Berlin und der ganzen Welt diesen neuen Ort für Kultur und Wissenschaft auf ungewöhnliche Art und Weise zu erkunden. Die digitale Öffnung ist ein eigenes künstlerisches Format und kreiert ein interaktives, lebendiges Forum mit vielen unterschiedlichen Stimmen und Programmangeboten. Navigieren Sie selbst durch die insgesamt vier Erzählstränge und Perspektiven und wechseln Sie die Blickwinkel!
Das Hauptprogramm im Livestream
Den Hauptstrang der Digitalen Öffnung bildet ein Livestream direkt aus dem Humboldt Forum. Moderator Mitri Sirin nimmt Sie mit auf einen Rundgang hinter die noch geschlossenen Tore – mit kurzen Interviews und Grußbotschaften von Staatsministerin Monika Grütters, Generalintendant Hartmut Dorgerloh, des Archäologen George Abungu, der Autorin Andrea Wulf sowie mit dem Künstler Tim Trantenroth. Zeitzeug*innen, Kurator*innen und Historiker*innen geben Einblicke in die Ausstellungen BERLIN GLOBAL, Nach der Natur, Einblicke. Die Brüder Humboldt, die Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst und in die Geschichte des Ortes. Interaktive (Live)-Schaltungen auf den Kosmografen öffnen das Foyer als Dialograum. Musikalisch begleitet das Resident Music Collective die Digitale Öffnung.
Die Veranstaltung wird hier auf der Website live gestreamt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Das Hauptprogramm wird auch in Deutscher Gebärdensprache angeboten.
Drei weitere Kanäle
Parallel zum Livestream eröffnen Ihnen drei weitere Videokanäle jeweils ganz eigene Zugänge zum Gebäude, seiner Geschichte und den Themen des Humboldt Forums.
Eingeschlossen / Ausgeschlossen
Die Schriftstellerin und Aktivistin Priya Basil erkundet das Humboldt Forum in einem Kurzfilm-Essay aus einer sehr persönlichen Perspektive – sie selbst hat erst kürzlich die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. In ihrem Film geht sie der Frage nach, was ein solches Gebäude, ein solches Projekt für das Verständnis der Vergangenheit und die Zugehörigkeit in der Gegenwart bedeutet. Das vielfach umstrittene, umkämpfte, gefeierte Monument existiert nun – aber was genau monumentalisiert es?
Eingeschlossen / Ausgeschlossen
Priya Basil
Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender
Das deutsche Wort „Schloss“ bezeichnet einen Palast, aber auch einen Verschluss oder Riegel.
Das englische Wort „belonging“ bezeichnet einen Zustand der Zugehörigkeit, eine sichere Beziehung zu einem Menschen, einem Ort oder einer Sache. Es bedeutet auch „Eigentum“ – im Sinne von: Dies ist euer Eigentum, mein Eigentum, unser Eigentum – your belongings, my belongings, our belongings.
2002 zog ich nach Berlin und schrieb meinen ersten Roman, der auf der Geschichte meiner Vorfahren basiert, die im 20. Jahrhundert, getrieben von den Kräften des britischen Empires, um die Welt zogen. Von Indien aus kamen sie nach Kenia, nach Großbritannien – ihr Leben war vom britischen Kolonialismus geprägt sowie von den Widerstandskämpfen für Unabhängigkeit.
2002 stimmte der Deutsche Bundestag für den Wiederaufbau eines Schlosses aus der Zeit der Preußenkönige und des Kaiserreichs – Ären, die für Militarismus und Kolonialismus stehen.
Damals wusste ich noch nicht, dass ich mich in Berlin dauerhaft niederlassen würde. Ich wusste nicht, dass ich deutsche Staatsbürgerin werden würde. Ich wusste nicht, dass die Bedeutung des Deutschseins – in Europa, in der Welt – ein sich zwangsläufig ständig wandelndes Verständnis – im Laufe der Jahre eine dramatische Wandlung erfahren, ja sogar erschüttert werden würde. Ich wusste nicht, dass die Vorstellung, wer als Staatsbürger*in zählt, wer dazugehören kann, selbst in sogenannten reifen Demokratien dreist in Frage gestellt werden würde, als illiberale Strömungen – nationalistische, rassistische, frauenfeindliche – in Deutschland und weltweit anschwollen.
Manche wussten es: Von Anfang an formierte sich in vielen Teilen der Zivilgesellschaft, von Aktivist*innen bis zur Wissenschaft, Widerstand gegen den Bau des Berliner Stadtschlosses. Deren Kritik regte eine längst überfällige öffentliche Debatte über die koloniale Vergangenheit vor der Nazi-Zeit an und darüber, wie diese Vergangenheit heutige Vorstellungen von Zugehörigkeit/Eigentum formt. Währenddessen wurden – werden – in anderen Städten Gebäude wieder aufgebaut oder geplant, die emblematisch für ein Streben nach Verzerrung der Geschichte sind. Die Neue Altstadt in Frankfurt am Main, die Frauenkirche in Dresden, die Garnisonskirche in Potsdam. Neonationale Architektur dieser Art findet unter Anhänger*innen der extremen Rechten bisweilen enthusiastische Unterstützung – Menschen, die in einer Traumwelt weißer Vorherrschaft feststecken. Auch manche aus dem konservativen oder gemäßigten Lager fördern Rekonstruktionen dieser Art – Menschen, die vielleicht nicht ganz begriffen haben, wofür solche Bauprojekte wirklich stehen. Das Berliner Schloss ist lediglich das offensichtlichste Beispiel für eine reaktionäre Strömung, doch der geplanten Funktion halber ist es das problematischste: Denn es soll einerseits geraubte oder auf zweifelhaften Wegen erworbene ethnologische Objekte beherbergen und andererseits einen dekolonisierenden Umgang mit sich selbst, den Beständen und der Arbeit mit anderen entwickeln.
Die entscheidende Frage lautet: Kann ein Schloss auch ein Schlüssel sein?
Moment mal: Vielleicht sollten wir nicht mehr von ethnologischen „Objekten“ sprechen, sondern vielmehr von „zugehörigen Stücken“? So entfernen wir uns von der wohlgeordneten Abstraktion, die bei „Objekten“ mitschwingt und eine Leere impliziert, die sich nach Belieben objektivieren, mit Projektionen füllen lässt.
„Zugehörige Stücke“ – belongings – hingegen verknüpft auf verschlungene, untrennbare Weise Ideen von Besitz, Sein und Sehnsucht, being und longing.
Im Dezember 2018, zwei Jahre nachdem Großbritannien für den Austritt aus der EU gestimmt hatte, betrat ich einen kleinen Raum im Erdgeschoss des Bezirksamts Mitte von Berlin. Mit dabei waren mein Mann und die für meinen Einbürgerungsantrag zuständige Beamtin, die auch meinen Einbürgerungstest überprüft hatte. Ich unterzeichnete ein paar letzte Dokumente und erhob mich für den Schwur: „Ich gelobe, dass ich als deutsche Staatsangehörige das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik achten und alles unterlassen werde, was dem deutschen Staat schaden könnte. “Ich kann nicht glauben, dass ich sie habe, sagte ich beim Hinausgehen und hielt meine Urkunde fest in den Händen. Damit trägst du auch Verantwortung für den Holocaust, sagte mein Mann. Er redete weiter. Ich bekam kein Wort mit. Mit dieser Bemerkung, dachte ich, hätte er ruhig noch etwas warten können. Zugleich spürte ich eine erdrückende Last. Die Vergangenheit hatte ein anderes Gewicht bekommen: eine Geschichte, die ich sozusagen als Gast betrachtet hatte, galt es nun in mir aufzunehmen. Der einzige Vorteil – so es einen gibt – an der britischen triumphtrunkenen Besessenheit vom Zweiten Weltkrieg, ist, dass dem Holocaust viel Platz eingeräumt wird und meine Vorstellung von Vergangenheit und Gegenwart dadurch schon zu Schulzeiten zentral von diesem Verbrechen geprägt war. Und dennoch hatte sich die Last des Wissens mit einem Mal verändert.
Anfänglich hatte ich den Eindruck, dass sich die deutsche Erinnerungskultur nach dem Holocaust um die Idee von Wiedergutmachung durch Entschädigung, Rückerstattung, reuevolles Gedenken drehte. Auf mich, die ich im britischen Jingoismus und einer dreist selbstgefälligen Haltung der Vergangenheit gegenüber – den glorreichen Tagen des Empire –geschult war, wirkte dieser Ansatz vorbildlich. In Berlin, einer Stadt voller Gedenkstätten für die Opfer der Nazi-Gewaltherrschaft, dachte ich erstmals über Formen des öffentlichen Gedenkens im Allgemeinen, besonders aber in Großbritannien nach. Jahrelang lief ich in diesem Land über Stolpersteine – die kleinen, ins Kopfsteinpflaster eingelassenen Gedenksteine – und dachte an Großbritannien, das andere Land, dem ich zufällig angehörte: Dass ich dort geboren wurde, meinen britischen Pass und alle damit verbundenen Chancen verdankte ich allein der Tatsache, dass andere als koloniale Untertanen gelitten, Widerstand geleistet, gezahlt und ihr Leben verloren hatten. Ich dachte an dieses Land, in dem es in der Schule keine einzige Pflichtstunde, geschweige denn eine Gedenkstätte für die Verbrechen seines riesigen, brutalen Empire gibt. Ich war dankbar für den Kontrast, den Deutschland bot, dafür, was es mir offenbarte. Doch die Erkenntnis, von seinem Land betrogen worden zu sein, eine falsche oder unvollständige Geschichte gehört zu haben, ist auch schmerzhaft, genau wie die Erkenntnis, dumm genug gewesen zu sein, darauf hereinzufallen.
Aus Sorge davor, mich aufs Neue dabei zu erwischen, achtete ich besonders auf Kritik an der deutschen Erinnerungskultur: auf Makel an der Prämisse der Wiedergutmachung, auf Stimmen, die sagten, manches könne nicht wieder gutgemacht werden, auf Stimmen, die sagten, einige Formen des Gedenkens zielten eher darauf ab, die deutsche Schuld zu lindern, als darauf, die wahren Bedürfnisse und Wünsche einer vielfältigen jüdischen Gemeinschaft aufzugreifen. Aufmerksam verfolgte ich, wie sich die Gedenklandschaft nach und nach auf Roma und Sinti, homosexuelle Opfer und Menschen, die im Rahmen des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms ermordet worden waren, ausweitete. Ich verfolgte die Feierlichkeiten zur deutschen Wiedervereinigung und nahm die verschiedenen Formen ihrer Verdinglichung wahr, während Spuren der DDR sogar ausgelöscht wurden. Ich achtete auf die Verbrechen während der deutschen Kolonialzeit vor dem Dritten Reich, die im öffentlichen Bewusstsein weniger prominent, im politischen Alltag weniger bedeutsam waren und die man bislang für weniger gedenkwürdig erachtete: der Völkermord an rund 100.000 Herero und Nama in Namibia zwischen 1904 und 1908; die fast 250.000 Opfer deutscher Gräueltaten in Tansania, einschließlich derer, die im Maji-Maji-Krieg gegen die deutsche Kolonialmacht starben. Dazu wurde ich in meinem Einbürgerungstest nicht befragt. Eklatante Lücken in der Erinnerung, im Willen, Denkmäler zu errichten. Gleichwohl konnte ich dem deutschen Ansatz, der ein Bekenntnis zum Gedenken des Holocausts fest im Zentrum des sozialen, politischen und kulturellen Lebens einschloss, noch viel Positives abgewinnen. Er ist der Schlüssel zu einigen der besseren Eigenschaften Deutschlands.
Erinnerung kann, wie nur wenig anderes, Schlüssel und Schloss zugleich sein. Auch wenn das Schloss mitunter klemmte, festsaß, Bedeutsames außen vor hielt, so war ich doch weiterhin überzeugt, dass Deutschlands Praxis, mit diesem Mechanismus an den fürchterlichen Lehren aus seiner Nazi-Vergangenheit festzuhalten, auch ein Schlüssel wäre, um Wege zur Aufarbeitung der eigenen Kolonialgeschichte zu eröffnen, andere Beziehungen mit der Welt und miteinander. Und dann kam das Berliner Schloss.
2020 reißen antirassistische Bewegungen weltweit koloniale Statuen nieder, verändern das Antlitz von Städten, stellen Autoritäten infrage – und Deutschland eröffnet sein „größtes Kulturprojekt des 21. Jahrhunderts“: ein wiederaufgebautes kaiserliches Schloss im Herzen der Hauptstadt, das bald zum Teil gefüllt sein wird mit unrechtmäßig erworbenen belongings von Kulturen auf der ganzen Welt. Wie konnte es so weit kommen? Was ist das für eine Erinnerungskultur?
Das Stadtschloss steht da wie ein Bodybuilder auf der großen Bühne und zeigt die in diesem Sport als „most muscular“ bekannte Pose: gespreizte Beine, erhobene Arme, nicht zuletzt die geschnörkelte Fassade, die fast bis ins kleinste Detail nachgebildet und mit privaten Spenden in Höhe von 100 Millionen Euro bezahlt wurde. Werbung dafür, wie auch im 21. Jahrhundert Klasse und Geld den Charakter des öffentlichen Raumes im demokratischen Deutschland beeinflussen kann. Werbung für eine hochmoderne Form des Feudalismus, der 500 Millionen Euro an staatlichen Geldern umlenken kann, um den privaten Interessen einer Minderheit sowie den Interessen der schlecht Informierten zu dienen. Initiiert und gefördert wurde das Projekt Berliner Schloss von einem Förderverein, der sich aus Leuten zusammensetzte, die vermutlich von der deutschen Erinnerungskultur durchdrungen waren, die es dennoch aber schafften, an einer idealisierten Version der imperialen Vergangenheit Deutschlands festzuhalten und sie nachzubilden. Derart idealisiert, dass nirgendwo auf ihrer Website, auch nicht dort, wo Argumente gegen den Wiederaufbau zitiert werden, das Wort „kolonial“ eine Rolle zu spielen scheint.
Bis zum Sommer 2020 kannte ich den Bodybuilder nur aus der Ferne, hatte einen Blick auf die Ostfassade, „Latissimus, Rückenseite“, geworfen – weniger absurd verschnörkelt, aber dank faschistischer Anklänge ähnlich fragwürdig. Einen Besuch hatte ich immer wieder aufgeschoben, so wie man Gefahr intuitiv zu meiden versucht. Worin die Bedrohung lag, hätte ich damals noch nicht recht formulieren können. Inzwischen weiß ich, dass es die Angst war, noch einmal eine Geschichte, die ich größtenteils für mich angenommen hatte, neu überdenken zu müssen, die Angst, noch einmal mit meinem Versagen konfrontiert zu werden, das Ausmaß ihrer Unvollständigkeit zu erfassen. Und dieses Mal war es umso schmerzhafter, weil es sich nicht, wie bei meiner Sicht auf die Vergangenheit Großbritanniens, um einen Fall von kindlicher Verkennung handelte. Dieses Mal war es die Torheit einer Erwachsenen, die kritisiert, in Frage gestellt, acht gegeben – und die Dinge dennoch falsch eingeschätzt hatte. Warum dachte ich, Deutschland würde besser sein? Warum dachte ich, ich selbst würde besser sein?
Ich habe mich immer schon zu schnell verliebt – in Menschen, Orte, Ideen. Seit ich erwachsen bin, habe ich mich darin geübt, nicht zu erwartungsvoll zu sein, mich nicht zu früh zu öffnen, nicht zu glauben – mich stattdessen zurückzuhalten, abzuwarten, zu zweifeln. In Deutschland habe ich mich in eine Idee verliebt, die nicht real war, es nicht sein kann: die Idee einer Gesellschaft, die weiß, wie Erinnerung geht. Wiedergutmachen. Stand der Versuch, etwas wiedergutzumachen, hinter dieser neuen Verirrung? Was nie hätte geschehen dürfen – würde irgendwann sicher wieder richtiggestellt werden. Um es klar zu sagen: Hier handelt es sich um eine andere Kategorie von Irrtum, die Rekonstruktion eines Gebäudes ist nicht vergleichbar mit der Konstruktion einer ganzen Massenmordarchitektur. Doch den Wiederaufbau des Berliner Schlosses, die Umbenennung in Humboldt Forum und den Versuch, das, wofür das Schloss steht, von innen heraus umzukehren, lese ich als Zeichen der Wiedergutmachungs-Mentalität.
Und doch, und doch. Selbst jetzt – ist das töricht? – glaube ich nicht, dass die Möglichkeit, etwas wiedergutzumachen, zu verwerfen ist, sie müsste nur gründlicher hinterfragt werden. Der Schlüssel liegt dabei in der Wahl unserer Verbündeten, unserer Methoden. Ich selbst versuche inzwischen, das zu praktizieren, was Priyamvada Gopal in Übereinstimmung mit vielen anderen postkolonialen Theoretiker*innen „kontinuierliches Verlernen“ nennt. Für mich bedeutet es, auf verletzende Muster in meinem Denken und Handeln zu achten; zuzuhören, offen zu bleiben, angreifbar zu sein, bereit, den Kurs zu ändern, Fehler einzugestehen. Donna Haraway bringt es gut auf den Punkt: „Entkolonialisierung erfordert eine Art radikales Nicht–Wissen, ein Entleeren, eine Art echtes Nicht–Wissen, um irgendwie weniger dumm zu sein.“
Das Humboldt Forum darf nicht scheitern, sagte jemand zu mir. Und ich fragte mich: War es nicht längst gescheitert – indem es überhaupt zustande gekommen ist? Der Staat könne nicht zulassen, dass es zugrundegehe, legte mein Gegenüber dar, die können den Laden nicht einfach dichtmachen und aussteigen; es sei zu sichtbar, zu wichtig, zu teuer. Und ich fragte mich, ob der Bodybuilder wohl das Gewicht seiner Erwartungen, Widersprüche und Verpflichtungen aushalten, ob er sein eigenes historisches Doping verkraften würde?
Moment mal: Der sogenannte Schlüterhof entstand ursprünglich während der Erweiterungen des Berliner Schlosses, die zwischen 1689 und 1713 unter Kurfürst Friedrich III., der sich 1701 zum ersten Preußenkönig krönte, vorgenommen wurden. Sein Vater Friedrich Wilhelm war verantwortlich für die Etablierung der brandenburgischen Kolonie Groß-Friedrichsburg, einem Handelsposten an der Goldküste in Westafrika, der sich von 1682 bis 1720 im Besitz der Familie befand; von dort aus wurden bis zu 30.000 Menschen als Sklaven nach Amerika verkauft.
Bei meinem ersten Besuch in den Schlossmauern spürte ich das Kraftfeld der Kolonialität, seine verzerrende Wirkung. Ich sah, dass einige der neu in Auftrag gegebenen Kunstwerke bereits deformiert waren, etwa die Skulptur, bei der große Buchstaben die Wände eines Raumes umkreisen und die Namen aller Architekten nennen, die im Laufe der Jahrhunderte für Bauten an dieser Stelle verantwortlich waren. Warum?, fragte ich mich. Warum blies man in diesem Macho-Gebäude noch mehr Männernamen groß auf und ließ sie hier prangen? Oder ging es genau darum? Wurden hier die vielen Generationen männlicher Dominanz anklagend hervorgehoben? Falls ja, so kam es mir wie ein Ausbesserungsversuch vor, der lediglich eine hässliche Trope reproduziert. Ich wünschte mir ein rohes, rotes Graffito: Wo waren die Frauen? Ich wünschte mir Wände voller penibel gravierter Namen aller Menschen, die ausgebeutet oder umgebracht wurden, um Schlösser wie dieses zu ermöglichen. Gleichzeitig war mir bewusst, dass solche Namen hier alles womöglich nur noch schlimmer machen würden. Gesten allein können ein Monument nicht in ein Mahnmal verwandeln, vor allem dann nicht, wenn die
Namen der wichtigsten privaten Geldgeber*innen bereits auf den Wänden stehen. Fragen schallten durch die leeren Säle: Wessen Namen würdigen wir? Wessen Andenken ehren wir? Wessen Leben zählen? Und das andere ewige Dilemma: Wie soll man sich mit diesen Fragen auseinandersetzen, ohne die vergangene Gewalt in anderer Weise zu wiederholen, wie kann man versuchen, etwas nachzubessern, ohne ungewollt neues Leid zuzufügen?
Nach diesem Besuch stellte sich mir die Frage „Wie konnte das geschehen?“ nicht mehr. Mit einem Mal war es völlig klar: Es ist ein sehr ehrliches Gebäude, ein perfektes Beispiel für eine bestimmte Art von Dominanz – weiß, zumeist männlich –, die sich nach wie vor überaus erfolgreich reproduziert. Das Berliner Schloss drückt diese Dominanz auf jene absolut selbstbewusste Art aus, die einen natürlichen Anspruch auf Vorherrschaft behauptet. Das Gebäude ist eine Monumentale Hommage an die Kolonialität.
Die diffuse Kolonialitätsarchitektur ist allgegenwärtig – das heißt, unsere zwischenmenschlichen Beziehungen konstruieren sich auch heute in sozialen, ethnischen, politischen, juristischen und wirtschaftlichen Realitäten, die von den Hinterlassenschaften des europäischen Kolonialismus deformiert sind. Diese Architektur mag subtil sein oder ins Auge stechen, Beachtung finden oder ignoriert werden, doch sie ist allgegenwärtig. Das Berliner Schloss ist wie ein Destillat, eine in Stein gemeißelte koloniale Essenz. Ein Stein, über den man nicht einfach stolpert, sondern in den man hineinkracht.
Die Architektur allein ist verstörend genug, aber dann sind es da noch die Sammlungen: Tausende und Abertausende belongings mit ebenso vielen Geschichten, Toten, Traumata, Rissen, Fragen. Das Festhalten an solchen zugehörigen Stücken, bei denen es sich zumeist um das auf gewaltsame oder betrügerische Weise erworbene Eigentum anderer Menschen und Nationen aus der ganzen Welt handelt, bedeutet nun zwangsläufig die Notwendigkeit, sich selbst vor aller Welt zur Verantwortung zu ziehen. Der Schlossmoloch hat Deutschland in eine sehr öffentliche Abrechnung mit seiner kolonialen Vergangenheit verwickelt.
Für mich besonders merkwürdig ist, dass an diesem bedrohlichen Ort all meine Geschichten aufeinanderprallen. Auf dem Gelände des Monuments konnte ich das Wesen jener Last besser verstehen, die sich an jenem Tag, als ich deutsche Staatsbürgerin wurde, in mir niedergelassen hatte und die ich seither mit mir herumtrug. Es war die Last der Frage, wie ich all die vielen Geschichten, die jetzt meine waren, zusammenhalten konnte, ohne zwischen ihnen wählen, ohne sie hierarchisieren zu müssen.
Die Verbrechen des Britischen Empire sind so abscheulich, so zahlreich. Manchmal denke ich, dass ich mein Leben dem Studium dieser Geschichte widmen könnte und doch nicht ihr gesamtes Ausmaß erfassen würde. Manche Fakten aber stechen für mich heraus, weil sie sich auf die eine oder andere Weise mit meiner Biografie überschneiden: das Massaker an Tausenden von Mau–Mau–Rebellen, die in Kenia für
die Unabhängigkeit kämpften; die ökonomische Plünderung Indiens und die Ermordung von Abermillionen Inder*innen, sei es durch rohe Gewalt oder die gefühlskalte Politik während einer Hungersnot; die Balfour–Deklaration mit ihren Auswirkungen auf Palästina und später, nach dem Holocaust, auf Israel. Kann mir, als Bürgerin zweier Staaten, meine britische und meine deutsche Kolonialgeschichte gleich nah sein, kann ich an beiden leiden, ohne mir den Vorwurf einzuhandeln, ich würde die eine oder die andere verharmlosen, kann ich sie in ihrem Verhältnis zueinander betrachten, kann ich aus diesem besonderen, persönlichen Zusammentreffen von Vergangenheit und Gegenwart (ver-)lernen?
Doch das Humboldt Forum bringt jedes Raum- und Zeitgefühl ins Wanken, erzwingt eine Neupositionierung innerhalb von verschlungenen Geschichten, die von den belongings, die dort aufbewahrt werden, in alle Richtungen ausstrahlen. Es zwingt uns, vielfältige Affinitäten, Abhängigkeiten, Loyalitäten, Pflichten anzuerkennen – und verpflichtet uns, gemeinsam nach Wegen zu suchen, diese zu verhandeln. Will man das Forum beim Wort nehmen, dann ist „internationale Gesinnung und Toleranz auf allen Gebieten der Kultur, des Völkerverständigungsgedankens“ genau das, was es zu verfolgen gedenkt.
Gemeinsam bilden die Architektur des Humboldt Forums und der Großteil der Sammlungen einen schockierenden, erschütternden Nexus der Kolonialität. Es ist nur schwer vorstellbar, dass hinter so etwas Absicht stehen könnte. Es ist nur schwer vorstellbar, dass so etwas Zufall sein könnte. Es ist schwer zu begreifen, dass dies die Wirklichkeit ethnologischer Museen darstellt. Viele der zugehörigen Stücke liegen seit Jahren in Depots – unberührt, ungesehen, nicht wertgeschätzt –, und dennoch sträubt man sich, sie zu restituieren. Die Ausrede von der unklaren Provenienz – wir wissen nicht, woher sie stammen! – ist kein Grund, sich nicht um Aufklärung zu bemühen. Alles andere ist nur ein Beispiel dafür, was Ariella Aïsha Azoulay „imperiale Zurückhaltung“ nennt: „die Fähigkeit, das Resultat imperialer Gewalt als gegeben zu bewahren, als das, was ist, was man ist und was man hat“.
Moment mal: Können wir wirklich von ethno-logischen Museen sprechen? Wäre es bei Häusern, die über einen so langen Zeitraum rassistische Klassifizierungen und Hierarchien verbreitet und aus gestohlenen kulturellen Artefakten Instrumente zur Durchsetzung weißer Vorherrschaft gemacht haben, nicht zutreffender, von ethno-unlogischen Museen zu sprechen?
Die einzige Lösung, die inzwischen immer mehr Expert*innen befürworten, ist die von den Eigentümern verlangte vollständige Rückgabe ihrer belongings, verbunden mit dem Bemühen, Kontakt mit jenen Eigentümern aufzunehmen, die womöglich nicht wissen, in wessen Besitz sich ihre Stücke derzeit befindet. Und damit wir dies nicht als eine radikale, aufgeklärte Haltung missverstehen, erinnert uns Azoulay daran, dass es sich hierbei weder um „eine progressive Idee“ handelt noch um „die ‚fortschrittlichste’ Phase ‚unserer Demokratien’, so fortschrittlich, dass es angeblich Jahrhunderte brauchte, um einen solchen Punkt zu erreichen“.
Bei einem Schloss geht es um Verteidigung und Demonstration; Schlösser hielten die meisten Menschen fern, ihre Schätze in der Nähe und stellten sich protzig zur Schau. Diese Dualität durchzieht das Humboldt Forum, das Bereitschaft zur Dekolonisierung demonstriert und zugleich seine Sammlungen schlicht dadurch verteidigt, dass es sie weiterhin ausstellt – wenn auch auf eine voraussichtlich eher reflektierte, selbstkritische Weise.
Dass sich die Beratungen über die Rückgabe derart in die Länge ziehen, hat etwas Perverses, als ginge es darum, mithilfe der Zurschaustellung von Ängsten und Reue den Eindruck großer Sorge zu erwecken – um die zugehörigen Stücke, deren eigentliche Eigentümer, ordentliche Verfahren. In Wirklichkeit aber handelt es sich hier um eine Art vertuschte Abwehrhaltung, die Überzeugung, es besser zu wissen, der Zweifel daran, dass Menschen sich um ihr Eigentum selbst kümmern können.
Solche Dualitäten kenne ich von mir selbst, vielen wird es ähnlich gehen, glaube ich. Ich möchte meine Bereitschaft demonstrieren, mich angesichts dieser Herausforderungen, im Lichte neuer Erkenntnisse zu hinterfragen und zu verändern. Doch dann drängt sich mir innerlich eine Abwehrhaltung auf; Wehmut Dingen gegenüber, von denen ich profitiert habe, Angst, etwas könnte verloren gehen. Doch neben dem verebbenden Zögern derjenigen, die einst verzaubert war von Dingen, die sich als kriminelle Teile einer vermeintlichen Ihre–Meine–Unsere–Welt–Kultur herausstellten, steht die wachsende Dringlichkeit derjenigen, die akzeptiert, dass es an der Zeit ist zu verlernen.
Was öffentliche Räume wie das Humboldt Forum zum Teil definiert, sind die Sehnsüchte der Gesellschaft, der sie als staatliche Institution letztlich verpflichtet sind. Es mag einem gefallen oder nicht, doch wir alle, die wir in Deutschland leben, sind in das Schicksal dieses Gebäudes eingeschlossen. Es ist eine Art Einbürgerungstest, der den nationalen Rahmen dessen sprengt, was wir tendenziell unter den Begriffen „Bürgerin“ oder „Bürger“ verstehen. Es rüttelt an Vorstellungen von Rechten und Pflichten. Was bedeutet es, Rechte zu haben, wenn daran die Enteignung anderer hängt?
Anders als die Initiator*innen des Projekts Wiederaufbau behaupten, heilt dieses Bauwerk keineswegs eine Wunde in der Mitte der Stadt, sondern stellt die Größe einer Verletzung heraus, die sich vom Schloßplatz über das Holocaust-‐Mahnmal in der Cora-Berliner-Straße 1 bis zur Wilhelmstraße 92 erstreckt – dem Standort der ehemaligen Reichskanzlei, wo 1884/85 die Berliner Afrika-Konferenz stattfand. Hier verhandelten europäische Großmächte, darunter Großbritannien, Frankreich, Belgien, Portugal und Deutschland, ihre Gebietsansprüche. In den Folgejahren erweiterten sie ihre Forderungen auf ganz Afrika, und um 1900 hatten europäische Staaten fast neunzig Prozent des Kontinents unter sich aufgeteilt. Die Berliner Konferenz war die entscheidende Initialzündung für das, was Dan Hicks World War Zero nennt: die Zeit von 1884 bis 1914, als die europäischen Kolonialmächte afrikanische Völker brutal unterwarfen, sie ausbeuteten und ermordeten, ihre Rohstoffe und Schätze stahlen. Heute findet sich in der Wilhelmstraße 92 eine schlichte Gedenktafel, die die Folgen der Konferenz umreißt. Die Wunde ist frisch, sie klafft und nässt.
Was also hat mich trotz dieses Wissens veranlasst, das Schloss zu betreten? Ich brauchte einen Grund, etwas, woran ich mich festhalten, an dem ich zerren, das ich verflechten konnte wie ein Seil, etwas, das ich mit anderen Erkenntnissen und Erfahrungen verknüpfen konnte. Im Frühjahr 2020 wurde ich eingeladen, ein Projekt zu konzipieren und zu kuratieren, bei dem Schriftsteller*innen auf Gegenstände aus den Sammlungen trafen, um zu beobachten, welche Erzählungen daraus entstehen mochten. Ich war zurückhaltend und neugierig zugleich, denn mir schien, dass sich hier eine Chance bot, die traditionelle Meistererzählung des Museums zu hinterfragen, das anmaßende Skript zu durchbrechen, demzufolge alles – natürlich der Welt zuliebe – an Ort und Stelle bleiben sollte und wir die qualifiziertesten Schlosswächter sind. Vielleicht ist der Gedanke, man könne in die Maschinerie der Macht eingreifen und etwas verändern, auch vermessen. Falls dem so ist, dann handelt es sich um eine notwendige Vermessenheit, denn Macht gibt nie aus sich selbst heraus nach.
Ich stelle mir eine neue Frage im Einbürgerungstest vor, mit den üblichen vier Multiple-Choice-Antworten, von denen ich eine auswählen muss:
Welche Möglichkeiten stehen Ihnen als Bürgerin in Bezug auf das Humboldt Forum offen?
- Besuchen und genießen
- Boykott
- Innere Migration
- Fragen stellen, noch mehr Fragen stellen, immer weiterfragen, auch wenn es weh tut
Drei davon könnte ich ankreuzen und meine Wahl ausführlich begründen, aber ich wähle Nummer 4.
Die ersten Mitarbeiter*innen des Humboldt Forums, die ihre Arbeit am künftigen Programm aufnahmen, während um sie herum noch gebaut wurde, mussten beim Betreten des Gebäudes Schutzhelme tragen. Auch ich setzte einen hellblauen Helm auf. Ich ging durch die Räume und fand meine Vorahnung, die ich auch in meinem Konzept festgehalten hatte, bestätigt: Rein physisch mag das Humboldt Forum so gut wie fertig sein, eines Tages mag es sogar „komplett“ wirken, „abgeschlossen“ aber würde dieses Gebäude nie sein: Die (Wieder–)Errichtung von Wissen, von Beziehungen, von Verständnis, von Ausbesserung – um nur einige Aspekte zu nennen – würde eine dauerhafte Baustelle bleiben. Und die Entwicklungen, intern wie extern, mussten transparent bleiben, ablesbar. Narrative entstehen aus Prozessen: Jeder Schritt ist Teil der Geschichte. Prozesse sind immer unvollkommen, doch wenn sie lesbar sind, kann man sie verbessern. Im Zentrum meines Konzepts stand die künstlerische Prozessdokumentation: So sollten Erfolge, Entdeckungen, Missverständnisse, Enttäuschungen und Fehlschläge von allen Seiten – auch meinerseits – festgehalten werden. Darum geht es schließlich bei einem Test: zu zeigen, was man weiß, was man nicht weiß und, vielleicht das Entscheidende, was man mit diesem Wissen anzufangen bereit ist.
Doch welche Methoden man auch anwenden mag, welche Verbündeten man sich sucht, immer, immer bleiben bei einer solchen Institution die Bedenken, das Grollen des Gewissens, die Warnungen der Verbündeten: Mit dem Feind paktieren! Automatisch mitbeschmutzt! Kompromittiert! Naiv! Verblendet! Ich bin verhalten, will mich zurückziehen, abwarten, bis ich mehr verlernt habe, genug gelernt habe – was aber ewiges Abwarten bedeuten würde. Innere Migration ist kein wirksames Instrument für politischen Aufstand. Boykott kann eindringlich sein; meine eigene Kritikfähigkeit schärft sich an denjenigen, die sich vom Schloss und allem, was damit zu tun hat, fernhalten.
Ich kann das Humboldt Forum verlassen, nicht aber die Welt: Die Probleme verschwinden nicht, nur weil ich mich von einer Ausformung dieser Probleme distanziere. Zudem kann es mir nicht gleichgültig sein, dass es andere gibt, darunter die Initiator*innen des Wiederaufbaus und manche Mitglieder des Freundeskreises, die nicht abwarten, die ohne zu zögern Raum einnehmen, um ihre Erzählung durchzusetzen. Das kann ich ebenso wenig ignorieren wie die Tatsache, dass ich daran nichts ändern kann. Aber ich kann handeln, um ein breiteres Streben nach Veränderung voranzubringen, ein antikoloniales Streben, das es schon immer gab und das sich heutzutage in vielen Erscheinungsformen und Gruppierungen ausdrückt.
Als ich nach der ersten Begegnung mit dem Schloss meinen Helm abnahm, ging mir die Idee durch den Kopf, die Helme beizubehalten und sie künftigen Besucher*innen als symbolischen Schutz gegen die Kolonialität anzubieten, die in allen Ecken des Palastes lauerte. Dann dachte ich, wie erbärmlich es wäre, wenn ich als „Schutz“ gegen die Bedrohung und Beleidigung dieser Mauern nur das anzubieten hätte. Was konnte man diesem Gebäude wirksam entgegensetzen?, fragt ich mich laut. „Das Programm“, antwortete ein Verbündeter. Ein dynamisches, erforschendes, forensisches, kollaboratives, hinterfragendes, restituierendes, länderübergreifendes Programm.
Gelegentlich frage ich mich, ob ein Forum in einem Schloss nicht eine Art Occupy-Bewegung darstellen könnte, heimliche politische Bilderstürmer*innen, die Statuen metaphorisch niederreißen und die belongings buchstäblich zurückgeben. Ich stelle mir den Bodybuilder vor, wie er mit bebenden Knien und zitternden Armen kurz vor dem Zusammenbruch steht, während diese Gegenkräfte ihn niederdrücken. Es bleibt abzuwarten, ob ein Forum einen sinnvollen Ausweg aus dem, was nicht hätte geschehen dürfen, bieten kann.
Das Schloss – randvoll mit euren–meinen–unseren belongings – ist da. Wollen wir dieses koloniale Schloss aufbrechen, müssen viel mehr, sehr viel mehr von uns Schlüssel entdecken, herstellen und teilen.
© Priya Basil
360° – Offen für Alle
Verschiedene 360°-Video-Formate schaffen ein besonderes Raumerlebnis und vermitteln einen ersten Eindruck vom Humboldt Forum – vom Schlüterhof bis zum Dach mit Blick über Berlin. Sie erzählen Geschichten des Ortes und zeigen, was das neue Quartier für Kultur und Wissenschaft ausmacht. Kurator*innen sprechen über die Architektur und stellen den Bezug zwischen den Brüdern Humboldt und dem Gebäude her. Videoaufnahmen von einem Drohnenflug durch die Treppenhalle verbinden die Kernthemen des Humboldt Forums miteinander. Der modulare Aufbau erlaubt Ihnen Erweiterungen und Vertiefungen in alle Richtungen.
Ich kiek schon mal rin…
Eine weitere Perspektive eröffnet einen Blick hinter die Kulissen. Der Stand-up Comedian Stefan Danziger macht eine ganz eigene Tour durch das Haus und nimmt Sie mit an besondere, ungewöhnliche und teils „geheime“ Orte – von unterirdischen Gängen, Maschinenräumen, Fluchtwegen, Treppen und Ausstellungsräumen bis ganz nach oben aufs Dach.
Line-up
George Abungu ist Mitglied des Internationalen Expertenteams. Der Archäologe leitet seit 2002 Okello Abungu Heritage Consultants in Nairobi. Er war Generaldirektor der National Museums of Kenya und Vizepräsident des International Council of Museums (ICOM). Als Mitglied des Standing Committee for Museum Definition, Prospects and Potentials war er an der Erarbeitung der Beschlussvorlage zur Neufassung der ICOM-Museumsdefinition 2019 beteiligt.
Priya Basil ist Schriftstellerin und Aktivistin. In ihrem Buch Gastfreundschaft verbindet sie Geschichten über die indisch-kenianischen Traditionen ihrer Familie, ihr britisches Erbe und das Leben in Deutschland zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für die Gastfreundschaft in Europa. Sie ist Mitbegründerin der Organisation Authors for Peace, im Beirat des European Centre for Constitutional and Human Rights und Initiatorin der Kampagne für einen Europäischen Feiertag auf dem gesamten Kontinent. Ihr neues Buch Im Wir & Jetzt, Feministin werden erscheint bei Suhrkamp im März 2021.
Ketan Bhatti ist Komponist, Schlagzeuger und Grenzgänger zwischen verschiedenen Genre- und Kulturwelten. Seine Arbeiten reichen von zeitgenössischer Kammermusik über experimentelles Musik- und Tanztheater bis zu elektronischen, Hip-Hop-basierten Produktionen. Seit 2003 komponiert er mit seinem Bruder Vivan Bhatti die Musik für die Theaterinszenierungen von Nuran David Calis und seit 2009 für die Shows der urbanen Berliner Tanzkompanie Flying Steps. Mit Cymin Samawatie gründete Ketan Bhatti 2013 das Trickster Orchestra als Kammerorchester für zeitgenössische, transtraditionelle Klangwelten und experimentelle Erarbeitungsmethoden.
David Blankenstein ist Kurator der Ausstellung Einblicke. Die Brüder Humboldt, die ab 2021 im Humboldt Forum zu sehen sein wird. Er studierte Kunstgeschichte und Museologie in Berlin und Montreal und forscht seit etwa zehn Jahren über die Brüder. 2019 kuratierte er eine Ausstellung über Wilhelm und Alexander von Humboldt im Deutschen Historischen Museum in Berlin und eine weitere über Alexander in Havanna.
Stefan Danziger ist ein Deutscher Stand-up-Comedian. Geboren in der DDR, wollten er und seine Familie in die BRD fliehen. Doch leider sind sie, wie er sagt, „falsch abgebogen“ und lebten einige Jahre in der Sowjetunion. 2006 zog er nach Berlin-Wedding und arbeitete als Stadtführer; seine Erlebnisse erzählt er seit 2011 in Deutsch und Englisch auf Comedy-Bühnen in Berlin, Amsterdam, London, Edinburgh, Krakau und Warschau. Sein Programm beleuchtet Geschichte und die Geschichten dahinter, kulturelle Widersprüche und die Absurditäten des Alltags.
Hartmut Dorgerloh ist seit Juni 2018 Generalintendant des Humboldt Forums. Zuvor hat der promovierte Kunsthistoriker, Denkmalpfleger und Kulturmanager von 2002 bis 2018 die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg geleitet. Er lehrt seit 2004 als Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin und nimmt seit 2007 regelmäßig Lehraufträge an der Universität Bern wahr.
Lavinia Frey ist seit 2018 Geschäftsführerin der Abteilung Programm und Projekte der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss und war zuvor zwei Jahre Vorstand Kultur und Geschäftsführerin der Humboldt Forum Kultur GmbH. Die studierte Historikerin arbeitete als Regisseurin, Choreografin und Dramaturgin an diversen internationalen Bühnen und leitete zehn Jahre eine Konzeptagentur für kulturelle Veranstaltungen.
Eleonora Gotopo ist Sängerin, Komponistin, Orchesterleiterin und Pädagogin. Die jetzt in Berlin lebende Venezolanerin studierte, lehrte, und dirigierte Orchester am renommierten venezolanischen Programm für Kinder und Jugendliche El Sistema. Zu ihren aktuellen Projekten gehören eine Kollaboration mit Amanda Piña’s Stück Endangered Human Movements, das im HAU Berlin aufgeführt wurde; die Komposition des Soundtracks für den angolanischen Film Para lá dos meus passos, der bei Encounters (Südafrika) und Cinedans (Amsterdam) uraufgeführt wurde, und ihr Solo-Künstler-Debüt: ihr Song Malembe.
Monika Grütters ist seit 2013 in zweiter Amtszeit Staatsministerin und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Die CDU-Kulturpolitikerin ist langjähriges Mitglied des Deutschen Bundestags und zuvor des Abgeordnetenhauses von Berlin. Nach einer beruflichen Karriere in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für kulturelle Einrichtungen ist sie seit 1999 Honorarprofessorin für Kulturmanagement an der Freien Universität Berlin.
Diana Guzmán ist Direktorin des Museo Etnográfico Regional Indígena – ENOSIMAR – in Mitú, Kolumbien und lehrt an der Escuela Normal Superior Indígena María Reina. Als Expertin für die Sammlungen aus ihrer Herkunftsregion ist sie seit 2017 Teil des Kooperationsprojekts Sharing Knowledge des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin und hat die Stadt und das Museum bereits zwei Mal besucht.
Alfred Hagemann ist seit 2018 Bereichsleiter Geschichte des Ortes der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss. Vorher war der Kunsthistoriker langjähriger Mitarbeiter der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, u.a. Kurator der Dauerausstellung von Schloss Schönhausen 2009, der Ausstellungen Friederisiko im Neuen Palais in Potsdam 2012 und Frauensache im Schloss Charlottenburg 2015.
Lars-Christian Koch ist Musikethnologe und Ethnologe und für die Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst verantwortlich. Von 2003 bis 2018 war er Abteilungsleiter für Medien- und Musikethnologie, Visuelle Anthropologie und des Phonogramm-Archivs am Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin. Er ist zudem außerplanmäßiger Professor für Musikethnologie an der Universität zu Köln und Honorarprofessor an der Universität der Künste Berlin.
Uta Kornmeier ist Kuratorin für Wissenschaft und Forschung an der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss. Nach einem MA in Museum Studies an der Universität London hat sie an der Humboldt-Universität zu Berlin in Kunstgeschichte promoviert. Sie arbeitete als Wissenschaftlerin und wissenschaftliche Koordinatorin u.a. an der Universität Oxford und zuletzt am Leibniz-Zentrum für Literatur und Kulturforschung in Berlin. Daneben kuratierte sie künstlerische und wissenschaftliche Ausstellungsprojekte.
Kathrin Lange ist seit 2010 Mitglied der Expertenkommission zur Rekonstruktion der Fassade des Berliner Schlosses und seit 2017 Chefrestauratorin der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG). Sie ist Steinbildhauerin und Diplom-Restauratorin und war seit 1991 im Fachbereich Skulpturenrestaurierung der SPSG tätig, wo sie 2006 die Leitung übernahm.
Antoinette Lepper ist seit 2018 Kuratorin im Bereich Geschichte des Ortes der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss. Nach dem Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie und Ethnologie war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Haus der Geschichte in Bonn und im Jüdischen Museum Berlin. Von 2010 bis 2017 folgte eine freiberufliche Tätigkeit als Ausstellungskuratorin und Publizistin.
Lisa Noggler und Maria Prantl sind zusammen die Ausstellungsmacherinnen. Mit ihrer in Schwaz und Wien ansässigen Kulturagentur planen und managen sie Projekte in der Kulturszene und gestalten Ausstellungen, Vermittlungsangebote und thematische Rundgänge im Außenbereich. Gemeinsam waren sie unter anderem für das Technische Museum Wien, das vorarlberg museum und das Wien Museum tätig.
Gorch Pieken ist Wissenschaftlicher Direktor am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam. Von Mai 2018 bis Dezember 2020 wurde er als Leitender Kurator der Humboldt-Universität zu Berlin für das Humboldt Labor (teil)abgeordnet.
Judith Prokasky ist seit Anfang 2014 Kuratorin der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, derzeit im Bereich Geschichte des Ortes. Die Kunst- und Kulturhistorikerin arbeitet seit zwanzig Jahren im Museumsbereich, vornehmlich zu Macht, Repräsentation und Propaganda.
Clemens Rynkowski ist Komponist, Thereminist und musikalischer Leiter. Er lebt in Berlin und arbeitet transdisziplinär für Orchester, Kammerensembles, Film, Tanz, Theater und Musiktheater. Bisherige Stationen: Berliner Ensemble, Bayerische Staatsoper München, Orchestre Philharmonique du Luxembourg, Badisches Staatstheater Karlsruhe, Saarländisches Staatstheater Saarbrücken, Nationaltheater Weimar, Staatstheater Braunschweig, Goethe-Institut Ramallah. Lehraufträge an den Hochschulen Weimar, Rostock, Erfurt.
Mitri Sirin ist Radio- und Fernsehmoderator. Er arbeitete beim rbb für rbb aktuell und begann 2009 als Nachrichtenmoderator beim ZDF. Er präsentierte ZDFheute, das ZDFwochen-journal, aber auch aktuelle politische Beiträge, wie die Reportage Wie geht’s Deutschland? anlässlich der Europawahl 2014. Aktuell moderiert er gemeinsam mit Dunja Hayali und Harriet von Waldenfels das ZDF-Morgenmagazin.
Paul Spies ist seit Februar 2016 Direktor des Stadtmuseums Berlin und Chef-Kurator des Landes Berlin im Humboldt Forum. Er wurde 1960 in Amsterdam in den Niederlanden geboren. Der diplomierte Kunsthistoriker und Archäologe der Antike gründete gleich nach dem Studium mit zwei Kollegen das kunsthistorische Büro D’arts. Dort war er 21 Jahre lang tätig, bis er 2009 für das Amt des Direktors im Amsterdamer Stadtmuseum berufen wurde.
Wolfgang Thierse war von 1998 bis 2005 Präsident des Deutschen Bundestages und von 2005 bis 2013 dessen Vizepräsident. Thierse trat im Oktober 1989 dem Neuen Forum bei und wurde 1990 Vorsitzender der SPD der DDR. Von März bis Oktober 1990 gehörte er der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR an. Bis 2005 war er stellvertretender Parteivorsitzender der SPD und bis 2009 Mitglied im Bundesvorstand der SPD. Er gehört dem Stiftungsrat der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss an.
Tim Trantenroth realisierte zahlreiche Kunst am Bau-Projekte und andere Wandmalereien, beispielsweise 2009 für die Berlinische Galerie. Für das Humboldt Forum gestaltete er das Wandgemälde im Treppenhaus, welches die Fassadenstruktur des Palastes der Republik reflektiert. Nach seinem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf nahm er an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen und Messebeteiligungen im In- und Ausland teil und ist in internationalen Sammlungen vertreten.
Andrea Wulf ist Mitglied des Programmbeirates, der die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss bei der programmatischen Ausrichtung unterstützt. Seit ihrem Studium der Designgeschichte am Royal College of Art arbeitet sie als Sachbuchautorin und Journalistin. Ihr Bestseller Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur erhielt 15 internationale Preise.
Das Hauptprogramm im Livestream
Künstlerische Leitung Lavinia Frey Umsetzung und Gesamtregie Kobalt Kreation GmbH Szenografie Gitti Scherer Dramaturgie-Assistenz Maren Lawendel, Margarita Kähm Produktion Philipp Hochleichter, Judith Haase, Fränze Czaja Musik unter anderem Resident Music Collective, Mixtur, Musikalische Leitung und Komposition: Ketan Bhatti und Clemens Rynkowski © Mit freundlicher Genehmigung von Bosworth Music GmbH, Aufnahmeleitung und Mix: Jan Brauer, Ton-Assistenz: Ole Breuer Kosmograf Alan Prohm, Andreas König Auftretende (in alphabetischer Reihenfolge) George Okello Abungu, Priya Basil, Ketan Bhatti, David Blankenstein, Stefan Danzinger, Hartmut Dorgerloh, Lavinia Frey, Monika Grütters, Diana Guzmán, Lisa Noggler Gürtler, Alfred Hagemann, Lars-Christian Koch, Uta Kornmeier, Kathrin Lange, Antoinette Lepper, Gorch Pieken, Maria Prantl, Judith Prokasky, Eleonora Reyes, Clemens Rynkowski, Mitri Sirin, Paul Spies, Wolfgang Thierse, Tim Trantenroth, Andrea Wulf Herzlichen Dank an Akademie für Theater und Digitalität, Christian Römer
Eingeschlossen / Ausgeschlossen
Text und Stimme Priya Basil Deutsche Übersetzung Beatrice Faßbender Schnitt und Ton Maike Egger-Hädler Bild- und Archivrecherche Verena Stahl Kamera Priya Basil, Matt Aufderhorst
360° – Offen für Alle
Dramaturgie und Programmkoordination Kai-Britt Albrecht Produktion Judith Haase Panoramen & Filme Regie: Bettina Borgfeld, Panoramafotografie und Film: Axel Schmidt, Andreas Bremer, Bildbearbeitung und Montage: Andreas Bremer, Axel Schmidt, Trailer: Bettina Borgfeld, Andreas Bremer, Axel Schmidt Auftretende (in alphabetischer Reihenfolge) David Blankenstein, Hartmut Dorgerloh, Alfred Hagemann, Uta Kornmeier, Judith Prokasky Klanginstallation Mixtur Resident Music Collective Audioguide (Ausschnitte aus dem Visitorguide) Dank an Maike Voelkel und Johanna Kapp für das spontane Auspacken der Kurfürsten sowie an die Sicherheitskräfte
Ich kiek schon mal rin…
Mit Stand-up-Comedian Stefan Danziger Buch Stefan Danziger, Janina Rook Regie Janina Rook Dramaturgie Andrea Rieder Dramaturgie-Assistenz Margarita Kähm Kamera Benedikt Sichenender Kamera- und Tonassistenz Rosemarie Strehlitz, Martin Thormann Schnitt Gunther Kreis Programmkoordination Andrea Rieder Produktion Judith Haase Herzlichen Dank an die Auftretenden Tarek Ibrahim, Dirk Riedner sowie an die Kollegen der Humboldt Forum Service GmbH: Özkan Caliskan, Marcus Cremers, Michael Gramentz, Rayk Selge, Machmut Tekim